Fleeting

An der polnisch-ukrainischen Grenze ist niemand im Krieg und niemand Zuhause. Nur die Wenigsten bleiben hier länger als 24 Stunden, was als Nächstes kommt liegt im Nebel. Immer wieder frage ich mich, was ich hier tue.
Ich wollte die Situation vor Ort wahrnehmen und überfordert sein. Die Überforderung mit der Kamera überwinden, vielleicht verstehen, was Flucht bedeutet.
Ich stehe in den endlosen Fluten der Bahnhofshalle und verstehe nichts. Es riecht nach Schweiß, Urin und Eintopf, mir kommen die Tränen.
Familien treten durch die Tür ins Chaos. Sie haben den Krieg hinter sich gelassen und suchen jetzt das Gleis in Richtung Westen. Ich habe keine Ahnung, was diese Menschen fühlen.
Ich weiß kaum, wie es sich anfühlt sie zu fotografieren. Am Bahnhof scheint es so viele Flüchtende geben wie Helfende in gelben Westen. Wem helfe ich hier?

In meiner Tasche liegt neben meiner Kamera ein Deo-Roller, ein Brief an die polnischen Behörden und eine angebrochene Tüte Gummibärchen.
Ich stelle mir vor, was alles nicht in die winzigen Rucksäcke der Menschen hier gepasst hat.
Zurück in Deutschland sieht ein Freund über meine Fotos und bezeichnet sie als "flüchtig".
Ich bin dankbar, dass ich mit der Wahrnehmung nicht alleine bin.
Ich werde krank.
Meine Mitbewohnerin bringt mir Eis-Konfekt und Doseneintopf. Das Eis esse ich, der Eintopf bleibt stehen. Ich schlafe ein, wache fiebrig und schweißgebadet wieder auf.
Es riecht nach Flucht. Verstanden habe ich nichts. Was tue ich hier?

At the Polish-Ukrainian border, no one is at war and no one is at home. Only the fewest stay here longer than 24 hours, what comes next lies in the fog. Again and again I ask myself what I am doing here.
My plan was to perceive the situation on the ground and be overwhelmed. Overcome the overwhelm with the camera, maybe understand what fleeing means.
I stand in the endless floods of the train station hall and understand nothing. It smells of sweat, urine and stew, tears come to my eyes.
Families step through the door into the chaos. They have left the war behind and are now looking for the track to the west. I cannot imagine what these people are feeling.
I can hardly tell what it feels like to photograph them. There seem to be as many refugees as there are helpers in yellow wests. Who am I helping here?

In my bag, next to my camera, is a letter to the Polish authorities, a roll-on deodorant and an opened bag of gummy bears.
I start imagining what didn't fit into the tiny backpacks of the people here.
Back in Germany, a friend looks over my photos and calls them "fleeting". I am grateful that I am not alone in this perception.
I get sick.
My roommate brings me ice cream and canned stew. I eat the ice cream and leave the stew. I fall asleep, wake up feverish and sweaty.
It smells like escape. I have understood nothing. What am I doing here?